Diebstahl in den eigenen Reihen

In dem produzierenden Unternehmen A. stiegen die Inventurdifferenzen für bestimmte hochwertige Produktreihen. Eine erste Überprüfung durch das interne Kontrollsystem ergab, dass der ungewöhnlich hohe Verlust immer dann entstand, wenn die Ware im Außenlager deponiert wurde. Andererseits war aber gerade das Außenlager mit einem hohen Zaun und Bewegungsmeldern abgesichert worden. Deshalb konnte man sich zunächst einen Zugriff durch Dritte von außen nicht vorstellen. Auch die in Betracht gezogene Möglichkeit, dass eigene Mitarbeiter die Produkte wegschaffen, schien nicht besonders realistisch, da der Zu- und Ausgang zum Betrieb elektronisch und auch durch einen Wachmann kontrolliert wurde.

Die Geschäftsführung des Unternehmens A. beauftragte die Unternehmensberatung ILV-Advisers mit der Untersuchung dieses Sachverhalts. Im ersten Schritt wurden die vorhandenen Erkenntnisse geordnet zusammenstellt und mit der sogenannten Schnittmengenmethode ausgewertet. Das heißt, die relevanten Eckpunkte wie: Zeiträume, Bestellvorgänge, Anlieferung, Annahme, Lagerung, eingesetztes Personal pp. wurden zueinander in Bezug gesetzt. Die ermittelten Schnittmengen ergaben, dass nur zwei interne Mitarbeiter alle Voraussetzungen in Bezug auf Wissensstand, Anwesenheit und Zugangsmöglichkeiten erfüllten.

Das zweite große Fragezeichen in dem Sachverhalt war, wie die Ware das gesicherte Außenlager ungesehen verlässt. Das Rausschmuggeln durch eigene Mitarbeiter war auf Grund der genannten Sicherheitsmaßnahmen theoretisch nicht möglich. Unter Nutzung der Kenntnisse aus der Schnittmengenanalyse wurde das Außenlager sorgfältig in Augenschein genommen. An dem relevanten Lagerungsort wurden Spurenfragmente festgestellt, die die Vermutung nahe legten, dass an dieser Stelle die Produkte über den Zaun geschafft worden sind, um sie auf der anderen Seite entgegen zu nehmen. Der Abtransport erfolgte vermutlich mit einem kleineren Transporter.

Das bedeutete, man konnte davon ausgehen, dass die zwei lokalisierten internen Mitarbeiter des Unternehmens A. mit externen Dritten zusammen arbeiteten, um auf diese Weise die Sicherheitsmaßnahmen des Außenlagers auszuhebeln.

Auf Anraten von ILV-Advisers schaltete nun die Geschäftsführung des Unternehmens A. ihre Rechtsanwaltskanzlei ein, zwecks Einschätzung der arbeitsrechtlichen, strafrechtlichen und zivilrechtlichen (Schadensersatz) Aspekte. In Absprache mit dem Betriebsrat wurde die Vorgehensweise festgelegt. Es sollte ein Köder ausgelegt werden, um den bisherigen Anfangsverdacht zu bestätigen. Anschließend wurde die örtliche Polizei von der geplanten Vorgehensweise informiert.

Es wurde eine entsprechende Bestellung mit Lagerung im Außenlager ausgelöst. Die Bewegungen und Tätigkeiten der beiden Mitarbeiter wurden sowohl innerhalb des Außenlagers als auch von außen beobachtet. Die beiden Mitarbeiter hatten an diesem Tag bis 22:00 Uhr Spätschicht. Nach Einbruch der Dunkelheit fuhr ein unbeleuchteter weißer Sprinter rückwärts an den Zaun heran. Die Route war durch den Wachmann am Eingangstor nicht einsehbar. Die Lichtanlage mit den gekoppelten Bewegungsmeldern sprang nicht an. Sie war zuvor durch einen der beiden Mitarbeiter innerhalb des Außenlagers ausgeschaltet worden. Anschließend warf einer der beiden Mitarbeiter die relevanten Produkte über den Zaun zwei Personen zu, die mit dem Sprinter gekommen waren. Der andere Mitarbeiter beobachtete offensichtlich den Wachmann im Zugangshäuschen. Die ganze Aktion dauerte keine 10 Minuten.

Noch während der Sprinter beladen wurde, informierten die ILV-Mitarbeiter die örtliche Polizei über das aktuelle Geschehen, die daraufhin in 500 Metern Entfernung verdeckt Stellung bezog und dem Sprinter den Fluchtweg abschnitt. Diese Vorgehensweise war von den Juristen favorisiert worden, um den strafrechtlich notwendigen Gewahrsamsbruch eindeutig nachweisen zu können.

Nach dem Zugriff durch die Polizei wurden die Täter festgenommen, die Ware sichergestellt und der Sprinter als Tatfahrzeug eingezogen.

Die beiden Mitarbeiter der Fa. A wurden anschließend von ILV-Mitarbeitern im Beisein der Geschäftsführung mit dem Sachverhalt konfrontiert. Nach wenigen Minuten legten beide umfangreiche Geständnisse auch zu den zurückliegenden Diebstählen ab.

Die Rechtsanwaltskanzlei verhandelte am Tag danach mit den Tatgehilfen einvernehmliche  Aufhebungen ihrer langjährigen Arbeitsverträge bei Verzicht von Abfindungen, Lohnfortzahlung, Urlaubsgeld und Sonderzulagen und konnte dadurch sofort zu einer ersten Schadensminimierung beitragen.

Die zuvor bereits festgestellten Schäden wurden von den Tätern in notariell beglaubigten Schuldanerkenntnissen vollstreckbar beurkundet.