Prüfung des Verdachts auf Untreue

In dem global operierenden Konzern A. wurden routinemäßig Spesenabrechnungen der “Ländermanager“ punktuell durch das IKS-System geprüft. Bei dem zuständigen Manager für Deutschland gab es Auffälligkeiten, da dieser Kosten für Reisetätigkeiten in ein osteuropäisches Land eingereicht hatte. Zunächst wurde der Sachverhalt durch das Incident-Management-System an die Complianceabteilung für eine Erst-Prüfung weitergereicht, mit dem Ergebnis, dass diese Kosten nicht mit dem Aufgabengebiet des Deutschlandmanagers in Einklang gebracht werden konnten.

Daraufhin wurde der Deutschlandmanager von dem Compliance-Officer zu dem Sachverhalt befragt. Der Manager räumte sein pflichtwidriges Verhalten ein, ohne aber eine nachvollziehbare Erklärung zu seinen Reisetätigkeiten abzugeben. Der Compliance-Officer unterrichtete zunächst den Vorstand, anschließend gab es einen ersten Informationsaustausch mit der Rechtsanwaltskanzlei des Konzerns. Als erste Maßnahme wurde der Manager bis auf weiteres freigestellt. Danach wurde der Arbeitsplatz des Managers in Augenschein genommen. Dabei wurden unvollständige Unterlagen sichergestellt, die darauf hinwiesen, dass der Deutschlandmanager in dem osteuropäischen Land nach geeigneten Grundstücken für den Bau von kleinen Konzernniederlassungen suchen lässt. Die Suche wurde durchgeführt durch eine dort ansässige Immobilienprojekt GmbH mit deutschem Geschäftsführer. Es existierten jedoch keinerlei Expansionsvorhaben des Konzerns für dieses Land.

Auf Grundlage der erweiterten Erkenntnisse wollte der Compliance-Officer den Deutschlandmanager ein zweites Mal befragen. Dieser lehnte jedoch weitere Erklärungen ab. Daraufhin wurde dem Manager zunächst ein Hausverbot erteilt. Es folgte in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei eine erste Einordnung des relevanten Sachverhalts in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Hinsicht. Zusätzlich wurde die Rechtsscheinproblematik thematisiert, da es zu verbindlichen Geschäftshandlungen im Namen des Konzerns in dem osteuropäischen Land gekommen sein könnte, ohne dass diese autorisiert waren.

Der Konzern A. beauftragte die Unternehmensberatung ILV-Advisers, den Sachverhalt zu prüfen und aufzuklären. Zunächst wurden die notwendigen Ressourcen der Complainceabteilung, der Rechtsanwaltskanzlei und der Unternehmensberatung ILV-Advisers im Rahmen eines gemeinsamen Projektes miteinander verzahnt. Es wurden zwei Schwerpunktfragen aufgeworfen:

Wie und warum ist es zu den Handlungen des Deutschlandmanagers gekommen?
Ist es zu Geschäftshandlungen mit Rechtsfolgen für den Konzern gekommen?

Die ILV-Befragungsspezialisten konnten den Deutschlandmanager zu einem ersten Gespräch bewegen, wobei aus taktischen Gründen nicht die Schuld- oder Verantwortungsfrage thematisiert wurde, sondern zunächst nur die Schadenseindämmung in dem osteuropäischen Land. Dadurch konnte der Manager dazu bewegt werden, dass er die relevanten Orte und Grundstücksadressen nannte. Dieses Lagebild wurde sofort an die ILV-Netzwerkpartner in dem osteuropäischen Land weitergereicht mit dem Auftrag, die Verhältnisse vor Ort aufzuklären. Durch diese Strategie blieb die -wenn auch oberflächliche- Gesprächsbereitschaft des Managers erhalten.

48 Stunden später erfolgten die ersten Rückmeldungen des ILV-Netzwerkpartners aus dem osteuropäischen Land. Vor Ort hatten noch keine erkennbaren Geschäftshandlungen stattgefunden. Dies wurde auch durch die dort zuständigen Gemeinden auf Grund verdeckter Anfragen bestätigt. Die für die Schadensanalyse positive Nachricht wurde strategisch genutzt, um mit dem Manager ein zweites Gespräch zu führen. Dieses Gespräch verlief sehr zäh und schwierig. Der Manager hatte offensichtlich vor etwas anderem mehr Angst als vor den möglichen Konsequenzen seines Arbeitgebers oder einer ermittelten Staatsanwaltschaft. Die Befragung beanspruchte 8 Stunden an zwei aufeinander folgenden Tagen.

In Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Netzwerkpartnern von ILV–Advisers wurde festgestellt, dass der Manager von dem deutschen Geschäftsführer der osteuropäischen Immobilienenprojekt GmbH genötigt wurde. Dies war möglich, da diese Person über frühere private Verfehlungen des Managers Informationen besaß bzw. selbst die Rahmenbedingungen geschaffen hatte, welche zu den Verfehlungen führten. Danach trat er an den Deutschlandmanager mit der Idee heran, dass dieser dafür sorgen möge, dass man in dem osteuropäischen Land an eine Expansion des Konzerns glauben soll. Dadurch könne der Geschäftsführer der osteuropäischen Immobilienenprojekt GmbH eigene Grundstücke mit sehr hohen Gewinnen verkaufen. Nämlich dann, wenn andere potentielle Käufer davon ausgingen, dass eben diese Grundstücke zeitnah ein Konzern für seine neuen Niederlassungen benötigen würde.

Nach Abschluss der Informationsgewinnungsmaßnahmen wurde der Sachverhalt von der Unternehmensberatung ILV-Advisers an die Complianceabteilung und an die Rechtsanwaltskanzlei des Konzerns zur weiteren Bearbeitung abgegeben.