Erste Maßnahmen bei Verdacht der Bestechung

Die Ausgangslage beinhaltet einen anonymen Hinweis darauf, dass das Unternehmen von einer Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr betroffen ist. Zuständig für den Eingang eines solchen Hinweises ist die Compliance-Abteilung. Dies setzt voraus, dass im Rahmen intelligenter Meldewege des Incident-Managements oder durch interne Kontrollsysteme über die Festlegung von

  1. Maßnahmenkatalogen
  2. Definition von Handlungsoptionen und
  3. Kommunikationswegen

sichergestellt ist, dass entsprechende Verdachtsfälle aus allen Unternehmensteilen immer in die zuständige Abteilung gelangen.

Es folgt eine Sofortprüfung des gemeldeten Sachverhaltes durch die Compliance-Abteilung. Vorrangig geht es zunächst darum, festzustellen, ob von einem substantiierten Angangsverdacht ausgegangen werden muss, dieser zu verifizieren sein wird, sowie eine erste rechtliche Würdigung vorzunehmen.
Es ist sicherzustellen, dass der eingegangene Sachverhalt unter Berücksichtigung des „need-to-know Prinzips“ sowie der Festlegung von verbindlichen Kommunikationswegen vertraulich behandelt wird.
Unabdingbar sind in dieser Phase die Informationssicherung und deren Dokumentation. Der Hinweis als solcher ist zu dokumentieren und sollte, falls möglich, auch gesichert werden. Nicht nur die noch folgende Sachverhaltsaufklärung erfolgt nach den kriminalistischen Grundregeln der sieben goldenen W (wer hat was, wann, wo getan, wie, womit und warum). Schon in der ersten Phase ermöglicht die Beachtung der sieben goldenen W in einer sorgfältigen Dokumentation das Erkennen von möglichen Vorgehensweisen und schafft eine verlässliche Ausgangslage. So können auch Schlupflöcher in möglichen Arbeitsgerichts-, Schadensersatz- und/oder Strafverfahren pp. verhindert werden, falls favorisierte innerbetriebliche Lösungen nicht erreicht werden.
Erst danach wird der eingegangene Sachverhalt auf Plausibilität geprüft. Kann sich der mitgeteilte Ablauf mit den genannten Personen, Sachverhaltsdaten und –zeiten sowie den örtlichen Zusammenhängen überhaupt so zugetragen haben? Sollte der gemeldete Sachverhalt plausibel sein, stellt sich die Frage, ob ggfls. Medien schon von dritter Seite informiert worden sein könnten, ob der Sachverhalt selbst überhaupt ein

Öffentlichkeitsinteresse erzeugen könnte und positioniert sich im Hinblick auf eine Schadensbegrenzung präventiv.
Konkretisiert sich nach einer ersten Prüfung der Verdacht, dass der mitgeteilte Sachverhalt so tatsächlich stattgefunden haben könnte, wird eine professionelle rechtliche Würdigung erforderlich, die neben der Kernprüfung der Tatbestandsmerkmale auch Themen berücksichtigt, wie z.B.: besteht die Gefahr von Durchsuchungsmaßnahmen auch gegen das Unternehmen, sollte Strafanzeige/-antrag gestellt werden, wird dieser möglicherweise durch Dritte gestellt, bestehen andere sofortige Rechtspflichten etc..
Parallel dazu wird zu klären sein, ob aus Beweissicherungsgründen Arbeitsmaterialen wie zum Beispiel PC, Mobiltelefon, Verbindungsdaten, (elektronische) Akten und Kommunikation sichergestellt werden müssen, wobei eine eigene „Auswertung“ den späteren Beweiswert schmälern oder gar vernichten kann. Zudem ist auch zu klären, ob Mitarbeiter freigestellt werden und/oder Zugangsberechtigungen, Kennwörter sowie Weisungsbefugnisse geändert werden müssen.
Nach der Sofortprüfung setzt das eigentliche sachverständige Untersuchen und Aufklären des relevanten Sachverhalts an. Es ist zu bewerten, welche tragfähigen Informationen vorhanden sind und welche noch fehlen. Die Compliance-Abteilung hat objektiv zu prüfen, ob sie mit eigenen Ressourcen die fehlenden Informationen erheben kann, um der Unternehmensführung zügig und zielführend das nötige Handlungswissen zur Verfügung zu stellen.
Nicht allein Kompetenz und Ausstattung der eigenen Compliance-Abteilung sind jedoch aus Unternehmenssicht Grundlage für die Entscheidung, ob nicht doch besser unter der Steuerung einer externen Rechtsanwaltskanzlei professionelle Informations-gewinnungsstrukturen eingesetzt werden, um a) dem möglichen Vorwurf der Vertuschung zu begegnen und b) auch durchgängig auf diese Art und Weise sicherzustellen, dass das erarbeitete Lagebild unter der Kontrolle des Unternehmens bleibt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass eine ermittelnde Behörde über Durchsuchungsmaßnahmen Zugriff erhält und dadurch das Unternehmen die Kontrolle verliert.
In jedem Fall ist sicherzustellen, dass die Sachverhaltserhebungsphase kontinuierlich mit rechtlicher Prüfung begleitet wird und dass ein reibungsloser Informationsaustausch mit der Unternehmensführung als Entscheidungsbasis gewährleistet ist.